Redebeitrag von Matthias Vernaldi / ambulante dienste e.V.

Hallo ihr Lieben, ihr lieben Anwesenden, noch Anwesenden,
 
ja, wir alle sind sterblich. Meist brauchen wir ein Leben lang, um das zu realisieren. Und dann kommt es am Ende doch überraschend anders. Wir sind alle sterblich und leben doch meist, als wären wir es nicht. Auf jeden Fall scheint es darauf anzukommen, dem Tod so oft wie möglich zu entkommen, den Zeitpunkt so weit wie möglich nach hinten zu verlagern.

Für uns Schwerbehinderte scheint das mal wieder nicht so zuzutreffen. Behinderung wird gern mit Leiden, Krankheit und Tod assoziiert. Uns nervt das. Klar. Das ist etwas Diskriminierendes in einer Gesellschaft, die dem Tod ausweicht. Wer möchte schon gern die Spaßbremse von Dienst sein?

Leider entspricht das aber der gesellschaftlichen Realität. Und das ist noch viel diskriminierender als die Zuschreibung – und tatsächlich lebensgefährlich.

Ein wesentlicher Teil dieser Realität ist die Tatsache, dass wir unsere Assistent*innen nicht mit ins Krankenhaus nehmen dürfen. Es gibt ein paar Ausnahmen, zu denen ich übrigens gehöre, aber die meisten Schwerbehinderten gehören leider nicht dazu.

Nicht alle hier werden wissen, was persönliche Assistenz ist. Deshalb erkläre ich es kurz. Bei persönlicher Assistenz bestimmt der/diejenige, der/die die Hilfe erhält, darüber, wer bei ihm/ihr arbeitet. Er/sie sucht sich seine/ihre Assistent*innen selbst aus und kann sie auch wieder entlassen. Außerdem hat er/sie das Recht, darüber zu entscheiden, wann diese Leute arbeiten und auch wo sie arbeiten. Auch sehr wichtig ist, dass er/sie vorgeben, was konkret gemacht werden muss und vor allem auch wie es gemacht wird.

Für Leute wie mich ist das total wichtig. Ich habe einen Körper, der sehr speziell ist. Ich kann mich nur von Menschen assistieren passen, die ganz genau darauf eingestimmt sind. Nur deshalb habe ich keine Schmerzen und überlebe kritische Situationen wie Atemnot oder Schwächeanfälle.

Wenn ich gesundheitlich besonders gefährdet bin, muss ich wie alle anderen Leute auch ins Krankenhaus. Für Menschen, die wie ich ziemlich total auf ihre Assistent*innen angewiesen sind, ist es überlebensnotwendig, sie gerade in drei Wochen schweren Krise bei sich zu haben. In den letzten Jahren ist es uns gelungen, durchzusetzen, dass das möglich ist.

Aber es wird nicht bezahlt. Die Gesetzeslage sieht vor, dass alle medizinischen und pflegerischen Hilfen und Maßnahmen, die ein Patient in einem Krankenhaus nötig hat, vom Krankenhaus erbracht werden. Persönliche Assistenz wird von der Pflegeversicherung und vom Sozialamt finanziert. Sobald klar ist, dass jemand im Krankenhaus ist, werden diese Zahlungen eingestellt. Unsere Assistenzdienst hat bisher immer die Assistenz im Krankenhaus weiter erbracht, ohne dafür etwas zu erhalten. Wir tun das, weil schwerbehinderte Menschen real in Lebensgefahr geraten, wenn sie ohne ihre vertrauten Assistent*innen auskommen müssen – gerade in einer solchen Krisensituation. Das hat uns schon immer ökonomisch große Probleme bereitet.

Wie viel ein Assistenzdienst pro geleisteter Assistenzstunde vom Sozialamt oder der Pflegeversicherung erhält, wird verhandelt. Die letzte Vergütungsverhandlung von 2016 ist extrem knapp, enthält jedoch erstmals eine Regelung, dass Assistenz im Krankenhaus zumindest teilweise bei umfangreichen Einsätzen bezahlt wird. Allerdings halten sich einige berliner Sozialämter nicht an diese Vereinbarung, was den wirtschaftlichen Druck auf unseren Dienst noch weiter erhöht. Anfang April besetzten auf Assistenz angewiesenen Leute das Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg und erzwangen, dass sich das Amt an die Vereinbarung hält.

Trotzdem befindet sich unsere Assistenzdienst ambulante dienste e.V. in einer sehr schwierigen Situation. Deshalb bitten wir um Solidarität und Spenden für die Finanzierung der Assistenz im Krankenhaus. Im Herbst soll es eine Soliparty geben, zu der wir euch schon jetzt einladen wollen. Sie steigt am 26. Oktober – das ist ein Donnerstag – im SO 36. Selbstverständlich freuen wir uns auch sehr über eure Unterstützung, zum Beispiel über logistische Hilfe, aber auch über Tipps zu Bands oder DJs, die sich beteiligen würden. Wir haben nämlich noch keinen Hauptact gefunden.

Danke! Ich hoffe, wir sehen uns auch im nächsten Jahr zur Parade – gesund und munter, selbst wenn wir zwischendurch im Krankenhaus waren!