Redebeitrag von RuT - Rad und Tat

Liebe Leute,

mein Name ist Jule und ich arbeite bei Rad und Tat, RuT genannt.

Zunächst ein paar Worte zu meiner Organisation:

Rad und Tat arbeitete seit fast 30 Jahren an den Schnittstellen von Alter, Behinderung, Gender, Homosexualität und Klasse. Wir unterstützen lesbische behinderte Frauen. Die Besucherinnen des RuT kommen natürlich aus unterschiedlichen Gründen, doch auch, weil Lesben in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oft übersehen oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Auf der anderen Seite sind sie in lesbischen Orten häufig mit baulichen oder kommunikativen Barrieren konfrontiert, zum Beispiel weil es keine Toilette für Rollstuhlnutzereinnen gibt oder niemand Gebärdensprache oder Leichte Sprache kann.

Die Besucherinnen des RuT sind zudem größtenteils älter als 60 Jahre alt, viele von ihnen leben unterhalb der Armutsgrenze.

RuT möchte zumindest ein Ort für jene Frauen* sein, die andernorts irgendwie „herausfallen“, auch wenn das nicht immer gelingt. So sind es fast nur weiße Frauen, die das RuT besuchen.

Je länger ich allerdings im RuT arbeite, desto klarer wird mir, wie sehr auch der Begriff „Behinderung“ Gefahr läuft strukturelle Unterschiede zu verschleiern. Eine Person mit Behinderung ist ja auch noch arm oder reich, cis oder trans*, homosexuell oder heterosexuell, schwarz, Person of Color oder weiß, muslimisch, christlich oder lehnen Religion ab…

Menschen mit Behinderungen sind mehrfach diskriminiert oder privilegiert, wie eben nicht-behinderte Personen auch.

Hier ein paar Beispiele aus dem alltäglichen Leben:

Grundsätzlich sind Menschen mit Behinderung nicht in Filmen, Serien etc. zu sehen. Ausnahmen: Elling, Crazy, Ziemlich beste Freunde, Idioten, Rainman, Ich bin Sam, Gilbert Grape…alle Hauptpersonen mit Behinderung sind cis-männlich, weiß und heterosexuell. Die Filmemacher sowieso. Ausnahmen, wie Sins Invalid oder Yes, we fuck oder Margarita, with a straw bilden die Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Wenn das Motto der Pride heute also Ganzhaben statt teilhaben heißt, dann kann Behinderung nicht der einzige Kampfbegriff sein, um den es hier geht.

Es muss auch darum gehen, dass Frauen und Mädchen mit Behinderung viel häufiger noch sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind als nicht-behinderte Frauen ohnehin schon, dass Homosexuelle mit Behinderungen in Einrichtungen diskriminiert werden oder sich einfach nie outen aus Angst vor Diskriminierung, dass Migrant_innen mit Behinderung oftmals keine Hilfe erhalten, weil es kaum in ihre Herkunftsspracchen übersetze Info-Materialien gibt usw. usw.

Kurz gesagt: es geht um Intersektionen, also um die Überscheidungen und Verwobenheiten von Diskriminierungsformen.

Dieses Thema werden wir bald auch im RuT ausführlicher behandeln. Wer Interesse an dem Thema hat, ist herzlich eingeladen zum Berliner Frauensalon im September. Auf unserem RuT-Podium diskutieren Judy Gummich, Swantje Köbsell und Ulrike Pohl eben jene Frage nach den Intersektionen von Behinderung.