Diese Rede wurde vom AK moB – Arbeitskreis mit_ohne Behinderung auf der behindert und verrückt feiern Pride Parade 2014 gehalten:

Bevor wir die Musik laut stellen, wollen wir uns aber noch ein wenig beschweren. Wir haben den Eindruck, dass in letzter Zeit viel über Inklusion geredet wird. Wir haben aber auch den Eindruck, dass manche Leute von Inklusion reden, ohne wirklich etwas ändern zu wollen. Und darauf haben wir keine Lust! Nicht nur das: Wir werden zunehmend ärgerlich.

Ein paar Beispiele:

Es gibt Leute, die sagen:

"In einer inklusiven Gesellschaft gibt es nicht mehr Behinderte und Nichtbehinderte, sondern nur noch Menschen."

Was für eine schreckliche Vorstellung! Warum sollen denn Behinderte und Nichtbehinderte abgeschafft werden? Es wäre schön, wenn wir nicht mehr erklären müssten, dass Rampen wichtig sind. Es wäre schön, wenn wir nicht mehr erklären müssten, warum Leichte Sprache wichtig ist. Es wäre toll, wenn Blinde sich überall gut orientieren könnten! Aber wir möchten weiterhin gesehen werden: Als Behinderte mit besonderen Erfahrungen und Wissen. Als so wie wir sind.

Noch ein anderes Beispiel. Es gibt Leute die denken:

"Inklusion bedeutet, dass alle Kinder gemeinsam auf eine Schule gehen."

Für uns bedeutet Inklusion nicht, dass alle auf die Schulen gehen, die es jetzt gibt. Die Schulen, die es jetzt gibt, sortieren Leute aus. Eine Schule nützt wenig, wenn danach doch nur ein Platz in der Behindertenwerkstatt bleibt. Und wer sagt eigentlich, dass wir Schulen brauchen, die uns einen Platz in der Gesellschaft vorschreiben? Wer bestimmt, dass wir Noten brauchen, um später im Beruf zu bestehen? Wir brauchen andere Schulen! Wir brauchen Schulen, in denen wir Wertschätzung erfahren, so wie wir sind. Wir haben keine Lust mehr, nach Noten sortiert zu werden!

Manche Leute loben die Inklusion und sagen:

"Inklusion nimmt dich in deinen Stärken wahr."

Es wird oft gesagt, dass auch Behinderte leistungsstark sind und gute Arbeit leisten. Wenn Arbeitgeber_innen Behinderte einstellen, dann tun sie das weil es ein Gewinn für sie ist. Das hat aber nicht viel mit Inklusion zu tun. Denn mal ehrlich: Es gibt Behinderte und Nichtbehinderte, die gute Arbeit leisten. Und dann gibt es Behinderte genauso wie Nichtbehinderte bei denen es im Job einfach nicht so läuft.

Wir möchten eine Gesellschaft, in der wir sein können, wie wir sind. Wir möchten eine Gesellschaft, in der nicht nur unsere Stärken, sondern auch unsere Schwächen, Kratzer und Ecken akzeptiert werden. Geht es nur um Geld und Leistung, dann wird es immer Menschen geben, die das nicht erfüllen können. Es gibt 50.000 behinderte Schulabgänger_innen im Jahr. Nur 3.000 finden danach einen Ausbildungsplatz im Betrieb. Das ist wenig. Nur einer von vier Betrieben hat in den letzten Jahren Behinderte ausgebildet. Das zeigt drei Dinge: Vielen Arbeitgeber_innen haben Vorurteile. Vielen geht es nur ums Geld. Und Kapitalismus ist scheiße.

Wenn einige von Inklusion sprechen sagen sie:

"Jeder Mensch kann gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben.“

Das klingt gut. Stimmt aber nicht. Wenn wir von einer inklusiven Gesellschaft sprechen, dann geht es nicht nur um Behinderte. Wer in Deutschland zum Beispiel nicht die passende Staatsbürgerschaft besitzt, darf sich nicht frei bewegen, nicht arbeiten und nicht an politischen Entscheidungen mitwirken. In einer Welt, in der einige Nationen reich sind, weil andere arm sind; in einer Welt in der Rechte nur bestimmten Menschen zuerkannt werden, in einem Europa, dass seine Grenzen dicht macht - ist Inklusion unmöglich!

Das alles ist jedoch kein Grund aufzugeben: Wir müssen schließlich wissen, was schlecht läuft, wenn wir etwas ändern wollen. Und wir wollen etwas ändern! Wir wollen Barrieren abschaffen. Nicht Behinderte. Wir wollen mit euch laut sein und stören, bis alle Kinder in der Schule Anerkennung bekommen. Und wir beschweren uns so lange, bis neben der Arbeit auch das Recht auf Faulheit viel Platz hat!