Rede Monika Jaekel
Diese Rede wurde von Monika Jaekel, Frauen-Beauftragte der Elbe-Werkstätten Hamburg (Betrieb Mitte), auf der behindert und verrückt feiern Pride Parade 2014 gehalten:
Ich möchte Ihnen mitteilen: Warum Frauen-Beauftragte in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen so wichtig sind.
Und ich möchte Ihnen einen kleinen Eindruck von meiner Arbeit als Frauen-Beauftragte geben.
Ich selbst bin schon seit 32 Jahren in der Werkstatt Beschäftigte und habe schon viel gesehen. In meinen Anfangs-Jahren habe ich bereits Umgangsweisen mit Frauen sehen müssen, wo mir sofort klar war: Dagegen muss etwas getan werden. Ich wusste nur jahrelang nicht wie.
Ein Beispiel: Es war früher schon fast normal, dass Frauen von Kollegen auf den Po gehauen wurden. Oder dass Frauen gegen ihren Willen angefasst wurden. Oder einfach auf den Mund geküsst wurden.
Mir wurde schnell klar, dass meine Kolleginnen solche Übergriffe nicht wollten. Sie wussten aber nicht, wie sie sich dagegen wehren konnten. Und genau da hat es keine Hilfe gegeben, die Frauen zu stärken.
Es gab auch noch viel schlimmere Vorfälle: Frauen sind von Kollegen sogar in den Keller oder in stille Ecken gelockt worden. Es hat sexuelle Übergriffe gegeben.
Wie ist das Werkstatt-Personal mit solchen Vorfällen umgegangen? Die Angestellten haben das früher unter sich ausgemacht. Die betroffenen Frauen waren bei diesen Gesprächen ausgeschlossen. Ich habe damals ein paar mal mitbekommen, dass bestimmte Kollegen und Kolleginnen auf einmal nicht mehr da waren. Auf Nachfragen habe ich keine Antwort bekommen. Das war in den 80er Jahren.
Heute sieht das anders aus:
Die betroffene Frau kann entscheiden, ob sie in den Klärungs-Gesprächen mit der Leitung und dem Sozialen Dienst dabei sein möchte. Und auch ich, als Frauen-Beauftragte, werde dazu geholt. Die Leitung legt Wert auf meine Meinung und meine aktive Unterstützung für die betroffenen Frauen.
Aber das war am Anfang gar nicht so einfach: Die Leitung und der soziale Dienst waren es nicht gewohnt, Probleme zusammen mit einer Beschäftigten zu klären.
Ich selbst habe 2009 an einer Schulung zur Frauen-Beauftragten teilgenommen. Diese wurde von den 2 Vereinen Weibernetz und Mensch Zuerst durchgeführt.
Da haben wir zum Beispiel gelernt, wie wir andere Frauen gut beraten können. Wir haben gelernt, welche Rechte Frauen haben. Und wir haben gelernt, was sexualisierte Gewalt ist. Und wo Frauen Hilfe bekommen können. Jede Frau hat das Recht auf Schutz vor sexualisierter Gewalt. Jede Frau hat das Recht, Nein zu sagen, wenn etwas passiert, was sie nicht will.
Als Frauen-Beauftragte arbeite ich vertraulich. Das heißt, ich erzähle nichts weiter, wenn eine Frau das nicht will.
Für meine Arbeit als Frauen-Beauftragte bin ich einen Tag in der Woche von meiner Werkstatt-Arbeit freigestellt. Dabei habe ich immer eine Unterstützerin an meiner Seite. In dieser Zeit biete ich zum Beispiel Sprechzeiten für meine Kolleginnen an. Oder wir geben besondere Fortbildungen, nur für Frauen. Zum Beispiel Selbst-Behauptung für Frauen. Oder zu wichtigen Gesetzen für Frauen mit Behinderungen und Lernschwierigkeiten.
Aber Frauen-Beauftragte kann man nicht nur einmal die Woche und für ein paar Stunden sein. Das heißt: In der Werkstatt habe ich dauerhaft den Blick für meine Kolleginnen als Frauen-Beauftragte.
Die Hamburger Elbe-Werkstätten sind ein riesiger Betrieb mit etwa 3600 Beschäftigten in vielen Betriebs-Stätten. Deshalb gibt es auch 3 Frauen-Beauftragte für die Beschäftigten. Und jede hat ihre eigene Unterstützerin.
Ein besonderer Problem-Bereich in Einrichtungen ist die Hilfe bei der Pflege für Menschen mit hohem Unterstützungs-Bedarf:
Sie können sich nicht aussuchen, wer die Pflege macht.
Zum Beispiel: Beim Toiletten-Gang. Es kommt sogar vor, dass der Pflege-Dienst mal gar nicht da ist. Dann müssen die Gruppen-Leiter die Pflege übernehmen. Das kann für die Betroffenen sehr unangenehm sein.
Insgesamt kommt die Unterstützung bei der Pflege in Werkstätten meistens zu kurz.
Das hat sich zwar heute schon deutlich verbessert, aber ich habe gehört, dass es immer noch Werkstätten gibt, die gar keinen Pflege-Dienst haben.
Dabei müsste es doch so sein:
Wenn Frauen nur von Frauen gepflegt werden möchten, dann sollte das ernst genommen werden.
Frauen sollten ein Recht darauf haben, dass ihnen dieses Bedürfnis erfüllt wird. Das gilt natürlich genauso für Männer. Die Wirklichkeit sieht leider noch anders aus.
Seit es die Frauen-Beauftragten für die beschäftigten Frauen gibt, hat sich in Werkstätten schon Vieles geändert! Viele Menschen in den Einrichtungen wissen inzwischen, dass es die Frauen-Beauftragte für die Beschäftigten gibt, und dass sie besonders aufpasst: Ob es den Frauen gut geht. Das allein ändert schon etwas! Es sollten also Alle, Beschäftigte und Angestellte bescheid wissen, dass es die Frauen-Beauftragte gibt.
Ich habe mich in meiner Werkstatt für ein besonderes Projekt eingesetzt: Für einen Leit-Faden zum Umgang mit sexualisierter Gewalt. Dieser Leit-Faden soll für die ganze Werkstatt gelten. Denn alle sollen wissen, was sie machen müssen, wenn eine Frau kommt und von sexueller Belästigung erzählt. Dann sind klare Regeln wichtig. Ich habe es geschafft, die Geschäfts-Leitung zu überzeugen: Es wurde eine eigene Arbeits-Gruppe extra für diesen Leitfaden gegründet. Der Leitfaden wird demnächst erscheinen. Und ich freue mich, dass ich als Frauen-Beauftragte aktiv daran mitgearbeitet habe.
Ich möchte Frauen in Einrichtungen Mut machen und stark machen. Ich möchte etwas dafür tun, dass Frauen in der Werkstatt ihre Rechte bekommen! Denn sie haben Rechte! Und ich möchte Kolleginnen auf Augenhöhe beraten. Das heißt: Weil ich auch Beschäftigte bin, verstehe ich meine Kolleginnen gut. Ich glaube ihnen. Und ich weiß genau, wovon sie sprechen. Denn ich habe ja auch Lernschwierigkeiten.
Es sollte Frauen-Beauftragte in allen Werkstätten geben!
Deshalb fordern wir Frauen-Beauftragten ein Gesetz:
Ein Gesetz, das Werkstätten für behinderte Menschen verpflichtet, eine Frauen-Beauftragte für die Beschäftigten einzusetzen und zu fördern. Das gilt genauso für Wohn-Einrichtungen.