Dieser Redebeitrag ist von zwei Menschen von der Kampagne für einen dritten Geschlechtseintrag. Die Kampagne für eine dritte Option hat die erfolgreiche Klage auf eine dritte Option beim Geschlechtseintrag - neben den Einträgen als Mann oder Frau - juristisch und mit politischer Arbeit begleitet.

Seit November 2018 gibt es ein neues Gesetz: Vorher gab es für den Personal-Ausweis und die Einwohner-Liste nur zwei Möglichkeiten für das Geschlecht: Mann und Frau. Jetzt gibt es eine dritte Möglichkeit. Sie gilt für Menschen, die weder Männer noch Frauen sind. Wir, die Gruppe „dritte Option“, haben fünf Jahre lang für den Geschlechtseintrag „Inter*/divers*“ gekämpft.

Wir haben auch geklagt – mit Erfolg.

Jetzt sind wir natürlich wahnsinnig glücklich über diesen großen Erfolg.

Es gibt im Moment viel Aufmerksamkeit, die es für Inter* und Trans* vorher selten so gab.

Trotzdem ist das neue Gesetz leider nur eine sehr kleine Lösung. Es fehlt weiter, dass wichtige Forderungen unserer Kampagne und Klage umgesetzt werden. Eine dieser wichtigen Forderung ist, dass niemand Gutachten von Ärzt*innen zeigen muss, damit das passende Geschlecht im Ausweis steht.

Keine Medizin, keine Psychologie kann mir vorschreiben, welches Geschlecht ich habe oder nicht -
dass weiß ich selbst am besten. Darum fordern wir, dass mit diesen Gutachten Schluss ist. Vor allem aber wissen wir alle, dass Geschlecht viel mehr ist als nur das Kästchen auf dem Formular, wo neben ‚Mann‘ oder ‚Frau‘ jetzt auch ‚divers‘ steht.

So viel in dieser Gesellschaft ist nach Geschlechtern getrennt – Sport – Toiletten – Kleidung. Es gibt sogar immer mehr Spielzeug, das „nur für Mädchen“ oder „nur für Jungen“ angeboten wird. Damit auch die ganz Kleinen schon wissen, wo sie hingehören. Es gibt also noch viel zu tun gegen das von Männern beherrschte 2-Geschlechter-System.

Immer noch werden Kinder, deren Geschlechtsteile nicht eindeutig als männlich oder weiblich angesehen werden, operiert.

Ohne ihre Zustimmung.

Oft passiert das direkt nach der Geburt und oft nur mit schlechter Beratung der Eltern.

Diese Operationen sind medizinisch nicht notwendig. Es geht bei den Operationen nur darum, Kinder an eine Norm anzupassen. Sie sollen eindeutig männlich oder weiblich aussehen. Das sind Operationen, die viele Kinder traumatisieren.

Deshalb fordern wir: diese Operationen müssen endlich verboten werden!

Aber, die Anpassung fängt sogar noch früher an.

Immer mehr Menschen entscheiden sich dazu, Embryos schon vor Geburt auf vermeintliche Abweichungen untersuchen zu lassen. Zu diesen ‚Abweichungen‘ gehören auch bestimmte Formen der Intersexualität.

Diese Untersuchungen lassen schwangere Menschen durchführen, die ansonsten sicher sind, dass sie ein Kind wollen.

Es geht hier nicht um das Recht auf Abtreibung aus Gründen, die bei der schwangeren Person liegen – dieses Recht zu erkämpfen, ist auch immer noch notwendig.

Hier geht es um etwas anderes: Es geht um das Aussortieren von denjenigen, die nicht gut genug oder nicht normal genug sind.

Und dieses Aussortieren durch Untersuchungen von Embryos wird von immer mehr Menschen gemacht. Sogar die Krankenkassen überlegen gerade, ob sie diese Untersuchungen bezahlen werden.

Was soll das für ein vermeintlicher „Fortschritt“ sein, wenn Embryos mit Abweichungen von der Norm schon vor der Geburt aussortiert werden?

Diese Abweichungen sagen doch gar nichts über das Glück oder die Zufriedenheit des späteren Kindes aus.

Wir haben diesen dritten Geschlechtseintrag also auch erkämpft, um zu zeigen: Intersex*-Sein ist nichts, was angepasst oder verhindert werden muss.

Intersex*-Sein ist nichts, was von Mediziner*innen ungefragt „weg gemacht“ werden muss. Intersex*-Sein ist nichts, was Schwangere so sehr erschrecken sollte. So sehr erschrecken, dass mensch lieber kein oder ein anderes Kind bekommt, als eines, das vielleicht nicht perfekt ist.

Es hat schon immer Menschen gegeben, die von ihrem Körperaufbau, von den Hormonen oder von den Chromosomen her nicht oder nicht nur Mann oder Frau waren. Und, das ist kein Fehler der Natur, sondern das ist völlig okay.

Wenn wir also heute hier zusammen auf der Straße sind, dann lasst uns feiern:

Wir feiern, dass mit der dritten Option beim Geschlechtseintrag zumindest ein kleines Loch geschaffen wurde.
Ein kleines Loch in dieser starren und starken Wand des 2-Geschlechter-Systems.
Und, lasst uns in Zeiten, in denen die Gesellschaft politisch nach rechts rückt, – weiterkämpfen.

Kämpfen gegen die, die andere Menschen aussortieren.

Kämpfen gegen Menschen, die andere ausgrenzen und abwerten, weil sie nicht in ihr Weltbild passen.

Und auch wenn die Rechten jetzt jammern und hetzen, weil so viel Selbstbestimmung sie überfordert.

Hetzen und jammern,

weil sie irgendwen suchen, der an ihrem traurigen Dasein voller Angst und Hass schuld sein soll:

Wir lassen uns nicht einschüchtern!

Durch die ganze Berichterstattung lässt sich nicht ignorieren,

dass wir – da sind –

als Inter* und Trans* –

mit Stolz!

Stay pride, stay queer, stay rebell

Bleibt stolz, bleibt queer, bleibt rebellisch

– bis alle frei sind.