Die geplanten Redebeiträge der Parade 2023 sind:

1.) Bündisbeitrag: Redebeitrag der behindert und verrückt feiern - Pride Parade Berlin

Hallo Liebe Leute!

Endlich sind wir „behindert und Verrückt“ auf der Straße zurück!
Vielleicht habt ihr es schon mitbekommen, dieses Jahr feiern wir unser 10-jähriges Jubiläum, die erste "Behindert und verrückt feiern Parade" rollte am 13.juli 2013 durch Berlin!

In den letzten 3 Jahren fand wegen Corona keine Parade auf der Straße statt. Umso mehr freuen wir uns, dass wir heute hier wieder alle zusammen auf der Straße sind, um uns zu zeigen, wie wir sind, behindert und verrückt und um gemeinsam zu kämpfen und zu feiern.

Vielen von uns hängt die Coronazeit noch nach und auch für uns als Gruppe war es keine einfache Zeit. Im ersten Jahr machten wir, gemeinsam mit vielen betroffenen Künstler*innen einen Film. Im zweiten Jahr wurde ein Live-Stream aufgenommen! Die sind beide übrigens auf unserer Webseite zu finden und machen Spaß!

Letztes Jahr haben wir schweren Herzens die Parade abgesagt. Wir hatten keine Kraft dafür.
Dieses Jahr wollten wir eine Parade machen. Aber wir waren nur noch 6 Leute in der Gruppe. Deswegen haben wir nochmal doll nach neuen Leuten gesucht! Und es hat geklappt, es sind neue Leute gekommen. Das ist toll. Und wir freuen uns über noch mehr neue Leute. Ihr seid alle herzlich willkommen mitzumachen!

Die Pandemie zeigte die schlimmen Seiten von unserer Gesellschaft.
Zum Beispiel was im Krankenhaus passiert ist, wenn es zu viele Patienten gleichzeitig gab. Es wurden dann erst die nicht behinderten und jungen Menschen behandelt. Oder auch die vielen Corona-Leugner. Die sind jetzt mit den Rechten zusammen eine große Gruppe.

Die Zeit der Pandemie ist vorbei. Aber Corona ist immer noch da. Sie ist zu einer Krankheit geworden, die bleibt.

Viele haben die Infektion mit Coronagut überstanden. Manche merken davon nichts mehr. Andere erholen sich sehr viel langsamer oder auch gar nicht. Viele tausende Menschen leben heute mit Long Covid.

Während Corona haben in sehr kurzer Zeit sehr viele Menschen Long Covid bekommen. Dadurch wurde diese Krankheit bekannt. Diese Krankheit ist aber nicht neu. Schon früher gab es Krankheiten, die das Chronische Erschöpfungssyndrom ausgelöst haben. Das Chronische Erschöpfungssyndrom ist der medizinische Name für eine andauernde Müdigkeit.

Das Chronische Erschöpfungssyndrom wurde lange Zeit von der Forschung nicht beachtet. Erst in den letzten Jahren wurde es als echte Erkrankung anerkannt.
Viele Leute haben das Chronische Erschöpfungssyndrom seit vielen Jahren, aber keiner glaubt ihnen. Sie bekommen kaum Unterstützung.

Wir stehen heute vor euch. Wir haben beide das Chronische Erschöpfungssyndrom. Eine schon seit sehr langem und eine hat Long Covid.

Sowohl Long Covid als auch das Chronische Erschöpfungssyndrom können für jeden Kranken unterschiedlich doll sein. Wir beide können schreiben und hier an der Parade teilnehmen, dass bedeutet, dass wir leichter erkrankt sind. Manche schaffen es nicht aus dem Haus raus. Andere schaffen es jahrelang nicht aus dem Bett aufzustehen, oder haben nicht genug Kraft zu sprechen.

Long Covid und Chronische Erschöpfung sind unsichtbare Behinderungen. Das heißt, dass Leute es nicht sehen. Und dass Leute oft nicht verstehen, dass wir behindert sind. Unsere Körper und Gehirne funktionieren langsamer und sind schnell erschöpft. Wir haben weniger Energie. Diese Energie ist schnell aufgebraucht und manchmal von einem auf den anderen Moment weg. Wir können nicht so viel leisten, wie die Gesellschaft es von uns erwartet.

Es ist wichtig zu erkennen, dass Menschen unterschiedlich sind und unterschiedliche Sachen machen können. Und das verändert sich im Laufe des Lebens, es kann sich aber auch plötzlich verändern. Wir wollen, dass alle Menschen gut leben können, ohne Druck und ohne ausgeschlossen zu werde. Deshalb, fordern wir einen anderen, neuen Umgang. Die Erwartungen daran, was jede*r können soll, haben nichts damit zu tun, was Menschen wirklich können. Wir fordern: Weg mit den über großen Erwartungen. Weg mit Leistungsdruck. Weg mit den Barrieren.

Im Kapitalismus, also in einer Gesellschaft, in der nur Geld zählt, gehören alle, die langsamer sind nicht richtig dazu. Sie werden an den Rand gedrängt und ausgeschlossen.

Aber vielleicht ist es besser, wenn sich die Gesellschaft an unsere Geschwindigkeit anpasst. Wenn alles etwas langsamer wird. Und sich besser an die Menschen und die Natur anpasst. Das ist besser für alle Menschen, behinderte und nicht behinderte. Und es ist viel besser für die Natur. Dann können wir besser auf unserer Erde leben.

Corona war ein neues Thema in den letzten 3 Jahren. Die Probleme, die es schon vorher gab, sind aber nicht verschwunden. Manche Probleme sind auch schlimmer geworden oder werden stärker gesehen. Das sind 2 Beispiele:

(Achtung, gleich geht es um Gewalt.)
In den letzten zwei Jahren haben einige Menschen andere Menschen getötet.
Das ist an sich schon schlimm!
Wir möchten heute aber darüber reden, wie darüber berichtet wird.
Wie berichten Zeitungen, Radio, Fernsehen und Internet-Seiten über Morde?
Wie berichten sie darüber, wer jemanden getötet hat?
Wie berichten sie darüber, wie es zu einem Mord gekommen ist?

Oft machen es sich Medien sehr einfach.
Dann wird nur gesagt:
Der Mensch, der andere Menschen getötet hat, ist psychisch krank. Also verrückt.
Dann wird nicht weiter nach Erklärungen gefragt.
Das ist auch schlimm!
Damit wird gesagt:
„Verrückte Menschen bringen andere Menschen um. Das gehört zum Verrückt-Sein dazu.“
Das ist erstens diskriminierend.
Und es ist zweitens falsch.
Manchmal bringen verrückte Menschen andere Menschen um.
Und manchmal hat es damit zu tun, dass die Menschen verrückt sind.
Oft hat es aber nichts damit zu tun.
Und noch öfter sind Mörder*innen nicht verrückt.

Es gibt noch eine zweite Gruppe, bei der das ähnlich ist.
Oft wird auch nur berichtet:
Dieder Mörderin ist nicht in Deutschland geboren.
Oder die Eltern sind nicht in Deutschland geboren.
Und dann wird auch so getan, als ob das eine ausreichende Erklärung wäre.
Das ist genauso diskriminierend und falsch!

Manchmal werden auch beide Eigenschaften zusammen als angebliche Erklärung gebracht.

Auf der anderen Seite werden viele behinderte und verrückte Menschen Opfer von Gewalt.
Behinderte und verrückte Menschen werden viel öfter Opfer als nicht behinderte und nicht verrückte Menschen.
Und sie sind viel öfter Opfer als Täter*innen.
Darüber wird aber nur selten gesprochen und berichtet.

Wir fordern:
Die diskriminierenden Berichte müssen aufhören!
Die Medien müssen genauer berichten und erklären:
Warum bringen Menschen andere Menschen um?
Eigenschaften, die nichts mit dem Mord zu tun haben, haben in Berichten nichts zu suchen!
Es muss viel mehr über Gewalt gegen behinderte und verrückte Menschen gesprochen und berichtet werden.
Und Menschen müssen besser vor Gewalt geschützt werden.
Vor allem die, die sich nicht gut wehren können, weil sie von anderen abhängig sind.

Auch die Lage für behinderte Menschen in Behindertenwerkstätten in Deutschland ist immer noch sehr schlecht.
Viele behinderte Menschen bekommen in Behindertenwerkstätten nur sehr wenig Geld, viel weniger als der Mindestlohn nämlich im Durchschnitt nur 1,64 Euro die Stunde. Viele bekommen auch deutlich weniger.  Das ist unfair und respektlos. Sie arbeiten hart, aber werden nicht gerecht bezahlt.
Noch schlimmer ist, dass sie fast immer vom allgemeinen Arbeitsmarkt ferngehalten werden. Sie arbeiten in eigenen Werkstätten, isoliert von der Gesellschaft. Das ist nicht fair. Sie sollten die Chance haben, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten, wenn sie das wollen. Sie müssen fair bezahlt werden.
Es muss dringend etwas verändert werden. Behinderte Menschen haben viele Talente und Fähigkeiten, die genutzt werden sollten. Sie sollten in der Gesellschaft willkommen sein und die gleichen Chancen bekommen wie alle anderen.
Wir müssen Barrieren abbauen und für echte Teilhabe sorgen. Behinderte Menschen müssen die Möglichkeit haben, sich weiterzuentwickeln und sich zu qualifizieren. Inklusion bedeutet, dass sie nicht isoliert sein sollten, sondern Teil der Gesellschaft.
Die Situation in Behindertenwerkstätten ist nicht akzeptabel. Wir müssen für echte Inklusion und Teilhabe kämpfen. Die Gesetze müssen geändert werden, damit behinderte Menschen fair behandelt werden. Jeder verdient Respekt, Chancen und eine gerechte Bezahlung.

Aber jetzt lasst uns (weiter) feiern! Feiern ist nämlich auch politisch und wir können auch protestieren und uns gleichzeitig selbst feiern. Dann wird feiern zum Protest!

2.) Redebeitrag: Cécile Lecomte zu Klimagerechtigkeit und Behindertengerechtigkeit

Ich bin Cécile, Sprecherin der ISL (Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben) für  Klimagerechtigkeit. Und in Antiatom-, Klima- und Behindertengerechtigkeitsbewegung aktiv. Mein Spitzname ist das Eichhörnchen, denn ich führe gerne Kletteraktionen durch. Ja, das geht auch  wenn man im Rollstuhl sitzt. Ich gebe Kletterkurse für Menschen mit unterschiedlichen  Behinderungen.
Ich möchte erklären was Klima-Gerechtigkeit und Behinderten-Gerechtigkeit bedeuten und  warum sie zusammen gedacht werden müssen.
Die Klimakatastrophe geht uns alle an. Wir, Menschen mit Behinderung sind besonders betroffen. Die Menschen tragen nicht alle gleich zum Klimawandel bei. In reichen Ländern konsumieren die  Menschen viel und sie verbrauchen viele Rohstoffe wie Öl, Kohle, Gas. Der Kapitalismus basiert auf Wachstum, das heißt unsere Gesellschaft will immer mehr herstellen, immer mehr verkaufen, immer mehr besitzen. Das geht aber nicht weil die Erdressourcen begrenzt sind und was wir an Fossilen Ressourcen die aus der Erde kommen, geht in die Luft und trägt zur Erderwärmung bei.  Die Menschen in armen Ländern verbrauchen dagegen deutlich weniger Ressourcen Sie sind aber oftmals am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen. Das ist ungerecht.  Wenn man das ändern will, spricht man von Klimagerechtigkeit.
Noch ungerechter ist es aber für Menschen mit Behinderung.
80% der behinderten Menschen leben im globalen Süden, in ärmeren Ländern, wo die Klimakrise noch viel heftiger  wütet als hier. Sie haben dabei weniger Schutzmöglichkeiten, weniger Fluchtmöglichkeiten als die  Nicht-Behinderten. Weniger Möglichkeiten sich beispielsweise bei einer Flutkatastrophe in  Sicherheit zu bringen - oder auch in ein anderes Land zu gehen.
»In durch die Klimakrise verursachten Notfällen haben Menschen mit Behinderung ein erhöhtes  Risiko zu sterben«, war im Januar in der Zeitschrift »Nature Climate Change« zu lesen. Also das  sagt auch die Wissenschaft.
Für Chronisch kranke und behinderte Menschen, die etwa ein Achtel der Weltbevölkerung  ausmachen, sind vor allem Hitzewellen und Flutkatastrophen gefährlich.
Das haben wir auch hierzulande zum Beispiel im Ahrtal im Sommer 2021 erlebt. 134 Menschen  kamen ums Leben. Darunter 12 Bewohner*innen einer Behinderteneinrichtung der Lebenshilfe im  rheinland-pfälzischen Sinzig. Sie sind ertrunken. Für sie gab es keine Evakuierung, anwesend war  ein einziger Betreuer. In diesem Sommer sind drei ältere Behinderte Menschen in Sizilien bei
Waldbrände gestorben, weil sie nicht evakuiert werden konnte und nicht alleine weg konnten.  Katastrophenschutzpläne berücksichtigen und Menschen mit Behinderungen nicht oder zu wenig.
Oder wie sieht der Plan aus, wenn ich als aus einem Gebäude evakuiert werden soll und auf dem  Aufzug steht „im Brandfall nicht benutzen“? Wo gibt es Informationen? Sind sie in einfacher  Sprache?
Wir brauchen Behindertengerechtigkeit! Das ist die Übersetzung von Englischen Begriff Disability  Justice. Es geht um eine Bewegung, die von Behinderten, queeren, BIPoC in den USA als  Weiterentwicklung der Behindertenrechtsbewegung ins Leben gerufen wurde. Konkret heißt das:  Nichts ohne uns über uns, wir wollen uns an die Erarbeitung von Lösungen zum Umgang mit der  Klimakrise beteiligen und in Sache Barrierefreiheit, Bedürfnisse von MmB sind wir Experte in  eigener Sache. Es ist aber auch wichtig intersektional zu denken, das heißt mit anderen zusammen  zu kämpfen. Zb mit von Rassismus Betroffenen, die auch diskriminiert werden. Sich austauschen,  sich gegenseitig unterstützen.
Bei dem Kampf gegen die Klimakrise, ist es wichtig, dass Barrierefreiheit, die Bedürfnisse von  Menschen mit Behinderung in Forderungen und Aktionen der Klimagerechtigkeitsbewegung  Einklang finden. Es ist wichtig, dass MmB und ihre Interessenvertretungen sich beteiligen.
Und jetzt etwas aus der Praxis. Ich bin nicht nur bei der ISL aktiv.
Im Frühjahr 2022 hat sich die Gruppe Rollfender Widerstand gegründet. Es kommt von Laufen und  Rollen. Menschen mit und ohne Behinderungen aus dem ganzen Bundesgebiet machen zusammen  direkte Aktionen gegen Barrieren.
Im Sommer 2022 sind wir mit Rollstuhl an der Fassade eines nicht-barrierefreien Frankfurter  Bahnhofs geklettert. Wenn es keine Aufzüge gibt, bringen wir unsere mit! Wir hingen mit unseren  Rollstühlen in seilen Gesichert mit einem Banner. Darauf stand „ Mobilitätswende für alle!“  Wir brauchen ökologische Veränderungen, die sozial und inklusiv barrierefrei sind.
Im Winter dieses Jahres waren einige von uns in Lützerath bei den Klimaprotesten gegen die  Abbagerung des Dorfes für die Gewinnung von Kohle.
Wir waren mit Rollstuhl und Lastenrad, für eine Person die liegen muss, unterwegs. Wir sind durch  Polizeiketten bis zum Zaun um das Dorf durchgedrungen, ich war auf der Titelseite der Zeitung Frankfurter Rundschau. Zu sehen war, auf dem Bild der Titelseite, wie vier Polizisten mich im Rollstuhl sitzend, weg tragen. Es gab zudem eine Abseilaktion mit Rollstuhl an einer Brücke, eine Zufahrt zum Tagebau wurde 4 Stunden blockiert. Die Barrieren wurden gemeinsam überwunden.
Kommt gern zum rollfenden Widerstand und lasst uns gemeinsam Barrieren brechen und gegen die  Klimakrise ankämpfen!

Redebeitrag Berliner Register

Wir sind die Berliner Register, wir dokumentieren rechtsextreme und diskriminierende Vorfälle in ganz Berlin. Dazu zählt neben zum Beispiel Rassismus und Queerfeindlichkeit auch Behindertenfeindlichkeit/Ableismus. Die Art der Vorfälle, die wir dokumentieren reicht von abwertenden Bemerkungen über Drohungen und körperliche Angriffe, aber auch diskriminierende Aufkleber, Plakate oder strukturelle Benachteiligung in Behörden und Institutionen oder der verwehrte Zugang zu Dienstleistungen. Wir machen das, weil es wichtig ist dass solche Erlebnisse öffentlich bekannt werden, damit sie als Problem anerkannt werden und etwas dagegen unternommen werden kann. Vorfälle zu melden ist anonym und kostenlos, geht auf viele verschiedene Wege (Auf unserer Website, Telefon, Email, Text- oder Sprachnachricht...) Die Website berliner-register.de gibt es auf einfacher Sprache und einer Video über unser Projekt in DGS. Bitte meldet (uns) Vorfälle die ihr erlebt, beobachtet oder von denen euch erzählt wird - so können aus vermeintlichen "Einzelfällen" Muster beschrieben werden und Aufmerksamkeit auf die alltäglich erlebte Diskriminierung gelenkt werden.

3.) Redebeitrag von Johanna Rothe von BOP&P: Warum ich von dem Rat, sich bei psychischen Problemen professionelle Hilfe zu suchen, nichts halte

Wir sind heute hier als eine Vielzahl von Communities. So unterschiedlich die Wege, die uns hierher geführt haben, - wir sind hier, um miteinander zu feiern, um miteinander Stärke zu finden. Ich wünsche mir sehr, dass wir miteinander stark sind. Ich wünsche mir, dass wir einander – und unsere Communities – stärken, nicht nur hier und jetzt, sondern auch in der Zukunft. Deshalb möchte ich mit euch über einen Satz reden - einen Rat, genauer gesagt. Es geht um den Rat: (Achtung, nicht erschrecken): “Hol dir professionelle Hilfe.” Oder auch förmlich: “Wenn Sie unter Punkt-Punkt-Punkt leiden, holen Sie sich professionelle Hilfe.”
Dieser Rat wird so systematisch verbreitet, dass viele Menschen ihn einfach weitergeben, ohne ein zweites Mal drüber nachzudenken. Die allermeisten von uns werden mal Zeug*innen davon, wie Menschen in unserem Umfeld emotional am Ende sind, oder auch scheinbar nicht mehr richtig ticken. Und dann denken vielleicht auch manche von euch, sie tun für die Person das Beste, wenn sie ihr raten, sich "professionelle Hilfe" zu suchen.

Ich halte nichts von diesem allgemeinen Rat. Warum nicht? Nun, „professionelle Hilfe“ bedeutet letztlich meistens Psychiatrie. Und für viele von uns z.B. bei BOP&P (der Berliner Organisation Psychiatrie-Erfahrener und Psychiatrie-Betroffener) war und ist die Psychiatrie: Horror. Das soll jetzt nicht der Schwerpunkt meiner kurzen Rede werden. Viele wissen darüber mehr oder weniger gut Bescheid, aber trotzdem, denken sie, gäbe es bei den emotionalen Extremzuständen des menschlichen Daseins kein Drumherumkommen um die Psychiaterinnen. Denn die Psychiaterinnen sind es - so der Glaube - die sich mit diesen Zuständen wirklich auskennen. Sie wissen besser Bescheid über uns als wir selbst, wenn wir in solchen Zuständen sind, so der Glaube.

Aber sie wissen es nicht, die Psychiater*innen. Klar, sie haben ihre Antwort, und sie tragen diese sehr selbstsicher vor. Und wenn die Antwort für uns nicht passt, dann haben sie sogar dafür eine Erklärung. Eine Erklärung, die uns die Schuld zuschiebt dafür, dass wir die Wahrheit ihrer Antwort nicht erkennen. Seit den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts ist die Antwort, dass unsere Zustände durch ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn verursacht werden. Diese Antwort passt auch perfekt zusammen mit ihrer Lösung Nummer 1, nämlich uns Psychopharmaka zu geben - also Tabletten und Spritzen für die Psyche.

Moment, ist es nicht wissenschaftlich erwiesen, dass „psychische Erkrankungen“ durch ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn verursacht werden? - Nein, das ist es nicht. Das ist eine Hypothese, also eine Annahme, auf die die Psychiatrie sich seit Jahrzehnten stützt. Dabei arbeitet sie eng zusammen mit den Firmen, die die Psychopharmaka verkaufen.
Vielleicht geht das Zeitalter dieser Hypothese vom chemischen Ungleichgewicht im Gehirn langsam zu Ende. Mal sehen, wie sich das weiter entwickelt. Aber beim Zeitalter der Psychopharmaka ist noch kein Ende in Sicht, im Gegenteil: Die Verabreichungen steigen und steigen.

Das also ist der harte Kern der professionellen Hilfe.

Ich kann nicht abstreiten oder geringschätzen, dass manche Leute Psychopharmaka in bestimmten Momenten als hilfreich erfahren, oder auch dauerhaft als ein kleineres Übel. Unsere jeweiligen Erfahrungen mit Psychiatrie - negativ, positiv, sowohl-als-auch - können nicht einfach als Maßstab für andere Menschen dienen. Die Wege, die wir finden, mit unseren Nöten und Wünschen umzugehen und aus unmöglichen Situationen irgendwie Veränderungen herauszukratzen, sind sehr verschieden. Aber der allgemeine Rat, sich bei psychischen Problemen "professionelle Hilfe" zu suchen, kann dadurch nicht gerechtfertigt werden.
Die Probleme mit diesem Rat sind schwerwiegend: Manche verzweifelten Menschen investieren ihre letzte Hoffnung in die versprochene “professionelle Hilfe” - entsprechend
vernichtend ist dann die Erfahrung, dort respektlos behandelt oder abgewiesen zu werden.

Und, biete ich jetzt einen Vorschlag an für einen anderen Satz, den wir sagen können, statt dem “Hol dir professionelle Hilfe”? Nein, denn so einen Wunder-Satz, mit dem man immer richtig liegt, gibt es nicht. Je nach Situation, je nach unserer Beziehung zu der betreffenden Person, würde ich uns allen vielleicht raten, selbst die passenden Worte zu suchen oder auf andere Art und Weise zu versuchen da zu sein, wenn wir das können. Mit eigenen, ehrlichen Worten – oder auch ohne viel zu reden – können wir, glaube ich, eher helfen und weniger Schaden anrichten, als mit zweifelhaften Versprechungen.

Ich danke euch fürs Zuhören!

4.) Redebeitrag gen_ethisches Netzwerk

Hallo! Schön, dass heute so viele Leute gekommen sind!
Ich möchte über ein wichtiges Thema reden. Unser Verein beschäftigt sich schon sehr lange damit: Neue Bluttests für Schwangere, in schwerer Sprache auch nicht-invasive Pränataltests, kurz NIPT, genannt.
Diese Tests schauen sich die DNA von Föten an. Also von werdenden Kindern sehr früh in der Schwangerschaft. Ärzt*innen wollen damit herausfinden, ob das werdende Kind genetisch besonders ist. DNA ist die Erbinformation in unseren Zellen. DNA wird mit einem Bauplan verglichen. 99,9 Prozent der Zellen sind bei allen Menschen gleich. Manchmal gibt es Abweichungen.
Das Down-Syndrom oder Trisomie 21 ist eine der Abweichungen, die der Bluttest sucht. Oder Trisomie 13. Oder Trisomie 18. Seit letztem Jahr werden diese Tests von der Krankenkasse bezahlt. Es gab dagegen viel Protest, unter anderem von Menschen mit Trisomie 21. Denn wenn die Krankenkasse die Tests bezahlt heißt das, die Gesellschaft will, dass nach Föten mit Trisomie 21 gesucht wird. Bei den meisten genetischen Abweichungen geht es nicht darum, zu behandeln oder zu heilen. Sondern die schwangere Person kann nur entscheiden: „Will ich den Fötus abtreiben oder nicht?“ In den allermeisten Fällen entscheiden sich die Schwangeren dann für eine Abtreibung.
Wir als GeN finden natürlich: alle Menschen sollten über ihren eigenen Körper bestimmen können und sich frei für oder gegen eine Abtreibung entscheiden können. Aber wie frei ist diese Entscheidung in einer behindertenfeindlichen Gesellschaft? In einer Gesellschaft, die es gut findet, schon vor der Geburt nach Behinderungen zu suchen?
Es gibt auch schon mehr solche Tests. Ein Test sucht Abweichungen von Geschlechts-Chromosomen. Er wird nicht von der Krankenkasse bezahlt – noch nicht. Auch bei diesem Test geht es nicht um einen medizinischen Nutzen, sondern nur darum intergeschlechtliche Föten zu finden.
Andere Tests suchen nach weiteren sehr seltenen genetischen Abweichungen. Je seltener die Abweichungen sind, desto häufiger sind die Tests falsch-positiv. Das heißt: der Test sagt, der Fötus hat eine genetische Besonderheit, das stimmt aber nicht. Für Schwangere bedeutet das viel Stress. Und das, obwohl die Firmen damit werben, dass die Tests den Schwangeren Sicherheit geben würden. Einige Schwangere brechen die Schwangerschaft ab, ohne weitere Untersuchungen zu machen.
Die Testfirmen verdienen viel Geld. In Zukunft werden weitere Tests entwickelt. Es ist denkbar, dass in Zukunft auch nach psychischen Erkrankungen oder Neurodivergenz, also zum Beispiel Autismus oder ADHS, gesucht wird. In der Forschung wird aktuell auch versucht, genetische Abweichungen zu finden, die mit Eigenschaften wie sozialem Status oder Sexualität in Verbindung stehen. All diese Forschung könnte für solche Tests benutzt werden.
Bisher bestimmt vor allem der Fortschritt der Technologie, was gemacht wird. Wir denken: stattdessen sollten wir in der Gesellschaft darüber reden, warum es solche Tests überhaupt gibt. Warum Firmen solche Tests auf den Markt bringen können, wenn wir doch angeblich eine so inklusive Gesellschaft sind. Und erst recht darüber, warum wir alle dafür mitbezahlen – in Form unseres Krankenkassenbeitrages und in Form von Steuergeldern, die in Forschungsförderung fließen.
Das GeN wird gemeinsam mit anderen Initiativen und Organisationen weiter kämpfen. Dafür, dass der Test auf Down Syndrom nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt wird. Dafür, dass weitere Tests nicht einfach so verkauft werden können. Dafür, dass schwangere Menschen bessere Infos bekommen. Damit sich all das ändern kann, müssen wir zusammen laut werden. Wir müssen Druck auf die Politik ausüben. Alle Menschen sollen sich für oder gegen Kinder entscheiden können. Aber es darf nicht darum gehen, welche Kinder geboren werden sollen.

5.) NO ACCESS - NO PEACE von Benji

Ich bin ich,
ohne drum-und-dran und alles,
nehmt einfach mich, so wie´s der Fall ist:
Mich gibt´s als Mensch hier
mit einem Hirn und einem Körper,
das ist mein Werkzeug, nicht die Wörter.
Bin nonbinär und gender-queer
bleib lange wach – manchmal bis vier.
Bin nix Besonderes, nix zum Beraunen
nix zum Bewundern oder Bestaunen.
Ich bin nur ich, ein Teil vom WIR.
Ein Mensch, der sich als GANZ begreift,
nicht als Minus und gemindert,
nicht als Freak und ungereift,
nicht als Störung und behindert.
Doch von der Krankenkasse werd ich fix gelabelt: das ist kein Mensch,
das ist disabled!
Viel zu kaputt, ein ganzer Mensch zu sein,
zu demoliert, verbeult und klein.
Den müssen wir erst qualifizieren,
ertüchtigen und manipulieren,
bis der zu allem Ja und Amen sagt
und nie nach Ableismus fragt.
Und vor seine Menschenwürde
baun wir ihm ´ne hohe Hürde,
bis er dann komplett vergisst,
dass er was ganz Einmaliges,
was einzigartig Wundertolles ist!
Und ich hör´ sie reden:
sei du bloss froh, wenn wir dir Gnadenbrote geben, und dank uns schön für das von uns erlaubte Gnadenleben.
Ey, Gnadenleben?? Seid ihr heilig??
Ich bin kein Sklave, ich hab´s eilig,
bin nicht geborn, um abzunicken,
das mit der Gnade könnt ihr knicken,
ich werd jetzt auf ´ne Party rauschen
die Bässe spürn und Ziggis rauchen,
Seite 2
einfach ein Mensch unter Menschen sein,
nicht besonders, nicht allein.
Mal nicht beglotzt, betatscht, bequatscht
beweint, beschmimpft oder bejammert
Das wird jetzt alles ausgeklammert!
Beim Konzi, im Rotzhaus oder inna Potse,
Kontrollverluste, bis ich kotze.
Bin endlich aus dem Fokus raus,
bin nur ich selbst
und das mit wildem Saus und Braus!
Hey, ich will verdammtnochmal nicht ausgeschlossen sein,  bin doch nur ICH und feier nur mein Anders-Sein. Open the doors, ich will hier rein!
Und kommt mir nicht mit Stufen, Treppen, Stolperkanten, wofür gibt´s helping hands und Lifts und Rampen? Und kommt mir nicht mit Brand- und Denkmalschutz, zähl´n die denn mehr als meine Lust?
Meine Lust am Ausprobiern,
am Muskeln-spürn und Glieder-rührn,
meine Gier nach prallem Leben,
mit allen Sinnen mich erleben.
Und was an mir nicht funktioniert,
wird durch mich selbst neu definiert!
Ich bin nur Mensch, jetzt bin ich hier
und streck´ euch meine Hand entgegen.
Nehmt ihr mich an, dann lass ich eure Partys beben, doch ist Respekt bei euch ein Mangel,
dann gibt´s in euren Clubs Gerangel
und die Stimmung kippt und wird ganz fix ganz mies, denn dann shouten du und ich und wir
und alle:
NO ACCESS?
NO PEACE!
( von Benji, 12.2022 )

6.) 21 Downbeat

Die Songtexte dürfen wir leider nicht veröffentlichen.

7.)  Über das Defizitäre eines Lebens ohne Behinderung

von Matthias Vernaldi
(veröffentlicht im Mondkalb 2014 unter dem Namen P. R. Iapos)

Ende letzten Jahres kochte mal wieder kurz die Frage hoch, ob man über Behinderte Witze machen darf. Anlass war ein nicht sonderlich gelungener Witz über einen blinden Fußballer in der taz vom 30. November. Selbst „Spiegel Online“ war die Debatte einen Beitrag wert.
Wir werden die olle Soße vom letzten Jahr nicht noch einmal aufwärmen. Stattdessen fragen wir:
Darf man über Nichtbehinderte Witze machen?
Seit ein paar Jahren gelten ja auch Leute als behindert, wenn sie in der Schule dissoziales Verhalten zeigen, im Alter pflegebedürftig werden oder ein Tourette-Syndrom mittlerer Stärke an den Tag legen, das in einer Hellersdorfer Nachbarschaftinitiative zum Schutz der Heimat und der Kinder nicht auffallen würde. Wenn man also auch diese gar nicht so richtig behinderten Bürger von der Masse der nichtbehinderten abzieht, stellen sie immer noch den Großteil der Bevölkerung. Es ist der Teil, aus dem sich die Leistungsfähigen rekrutieren, die die nötigen Hilfen sowohl als Fach- und Hilfskräfte erbringen als auch als Steuerzahler finanzieren – nicht wenige von ihnen sind also doppelt angearscht. Wie zynisch muss man sein, da noch zu lachen!
Und wenn sie nun nach einem schweren Arbeitstag von dem bisschen Geld, was man ihnen lässt, kurz vor Ladenschluss noch Einkäufe tätigen müssen, sind die wenigen freien Parkplätze für Menschen im Rollstuhl reserviert. Das nähmen die meisten noch ohne Bitternis hin, wenn es nicht viel weitreichendere Ungleichbehandlungen gegenüber Menschen mit Behinderungen gäbe, die zum Scheitern ganzer Lebensentwürfe führen können.
Niemand streicht ihnen im Supermarkt, im Straßencafé oder im Kino einfach mal so im Vorübergehen über den Kopf.
Diese Geste bedingungsloser Annahme durch Unbekannte bleibt ihnen versagt. Dabei transportiert sie doch schlicht und augenfällig das grundsätzliche Ja zum Dasein, ohne das wir letztlich in der Negation allen Seins landen. Ganz im Gegenteil: Wenn sie am heimischen Kaffeetisch, gar im Restaurant kleckern, nehmen es ihnen sogar nahe Verwandte übel, selbstverständlich auch die Gäste am Nebentisch. Einem Menschen mit spastischer Lähmung erschließen sich in solchen Fällen ganz andere Toleranzräume.
Besonders tragisch ist die Gefahr, dass sie die wahre Liebe in ihrem Leben nie kennen lernen werden. Sehr häufig werden sie als Sexual- und Lebenspartner nur wegen ihres attraktiven und leistungsfähigen Körpers ausgewählt. Ihre Persönlichkeit, ihr Gefühlsleben, ihr Wesen spielt nur eine nachgeordnete Rolle. Natürlich merken sie das bald und die Partnerschaften gehen in die Brüche. Irgendwann gibt es dann doch die Partner, die es schaffen, sie genetisch auszunutzen und gemeinsamen Nachwuchs zu produzieren. Der emotionale und finanzielle Aufwand für die daraus resultierenden Trennungen ist enorm. Und es wird nicht einmal im Ansatz über einen Nachteilsausgleich nachgedacht!
Es verbietet sich also, über Nichtbehinderte Witze zu machen.
Sie haben es schwer genug. Und – es kommt noch schlimmer: über Nichtbehinderte kann man gar keine Witze machen. Ein Witz funktioniert über das Defizitäre, das Unvermögen, das Anderssein. Hier liegt jedoch gleichzeitig auch die Chance für unsere nichtbehinderten Leistungsträger. Soeben wurde ja aufgezeigt, wie defizitär sich ihre Situation darstellt.
Sie müssen bei einem Party-Smalltalk, wo der eine sagt, er habe Parkinson, und die andere, sie habe Depressionen, nicht unbedingt sagen: „Ich habe nichts.“ Das hebt doch schon auf die umfassende Armseligkeit ihrer Existenz ab. „Mir fehlt nichts“, kommt da schon ganz anders – vor allem im Beisein von Partygästen mit Amputationen.

8.) Zhanna Dryha

ENGLISCH
Speech
TW: ableism, war, russian colonialism, death
Before russia's annexation of Crimea in 2014, I was an artist, teaching and living in Odesa,  Ukraine..
I felt that the full invasion will come and I was scared. 2016 me and my husband left  Ukraine with 2 backpacks. Since this time I am working on the topic forced migration and  war.
After the russian full invasion in Ukraine, in 2022, i became a volonteer, evacuator and co founder of Sunflower Care. Sunflower Care is a team of neurodivergent, chronically ill,  disabled and non-disabled persons. Since February 24, 2022 we evacuate disabled,  neurodivergent, chronically ill and during the russian war injured persons and their  caregivers from Ukraine to Germany. Sometimes we evacuate in other European countries  or other parts of Ukraine.
Then we support them in Germany because the whole bureaucracy is inaccessible and  ableist.
Why we do this work?
I quote the words of Yuliia Sachuk. She is Chairperson of Fight for Right - ukranian  disability right organization:
„Right now people with disabilities are the most affected group by the war in Ukraine.  There are people [with disabilities] trapped, there are people [with disabilities] dying; we  have been left behind. We have been trying to help ourselves, but we need help. We need  accessible evacuation efforts prioritized for people with disabilities. Who at our hour of  greatest need will help? Where is the money you’ve promised? In whose hands is it in?“
The big organizations like Red Cross does their work very selectively and participated in  the deportation of disabled persons from Ukraine to russia. War shows: we can not trust  such organisations.
My colleagues and me are fighting against ableism.
When we organize evacuation and ask for money to evacuate disabled and sick people,  some people ask us: "How long do you think this person will live? So these people want to  count whether "the rest of their life" will be their 20, 50, 100, 1000 euros would earn. At the beginning of russian invasion the ambulance staff only wanted to evacuate the  young disabled people and ideally war-injured heroes. In the war time ableism doesn’t  disappear.
Sometimes we explain the things that hurt. For example that every person has right to  evacuation.
At the beginning, the main problem was the evacuation of people who use wheelchair and  need to lie down. Many cities in Ukraine don’t have accessible urban infrastructure. Many  people live in inaccessible housing. Some of them don’t have a wheelchair or a rollator.  The second problem was that all ambulances were used near the front line and in
hospitals, and ambulances from other countries were afraid to enter Ukraine. It is still a  lack of ambulances. Those we could find a car for horizontal transportation only on the  border of Ukraine and even that caused difficulties. We had to start evacuating ourselves:  buy a wheelchair, find a volunteer driver who was ready to carry a person horizontally in  the back seat and was ready bring to the train (if we managed to get seats for the disabled  persons) or bus (if we managed to arrange about 3-4 places for a person to lie down).
Each evacuation is a stressful and extraordinary operation that requires a lot of effort,  people and money.
The evacuation with medical intensive evacuation transport (ambulance) can cost from  5000 euro. The accessible evacuation transport with can cost from 1000 euro. It depends  on the distance.
Particularly difficult for me were medical evacuations, when it is necessary to bring a  person very quickly. Otherwise the person can die. We had the cases when the ambulance  was too late and the person died.
The difficulty was to organize a direct ambulance ride from Ukraine to Germany,  sometimes with medical stuff on the board.
The evacuation of neurodivergent (autistic) persons is difficult not only because it is often  almost impossible to transport them by public transport due to sensitivities, but also  because it is incredibly difficult to get the necessary conditions for stabilization from stress  after their arrival in Germany.
Until the end of June 2022 we managed to prevent people from entering refugee camps -  we received help from Airbnb with temporary accommodation for neurodivergent and  disabled refugees and found apartments for them. It was also a urgent need for persons  with autoimmune diseases. Unfortunately, since July 2022 the situation has been  deteriorating and due to legislative and bureaucratic changes, almost all refugees are now  going through refugee camps. It is disaster for disabled, chronically ill and neurodivergent  persons. It is the risk for their lives. People get infection after infection in the refugee  camps. Covid is not over. There is no private space, even no doors. The lights don't turn  off, the sounds don't stop. People can not rest.
Most of the camps don’t provide even the basic for disabled persons. In the camp in  Gissen, a man with a leg amputation was settled in a room where it was impossible to  enter the toilet in a wheelchair. He had to sit on a chair and his wife moved him. After  terrible evacuation from occupied Kherson this man get one trauma more. He got leg injury  during the evacuation because of the explosion on miner. For 2 days he and his wife spent  the night in the field, because to leave Kherson you needed to pass many checkpoints of  the russian occupiers. Unfortunately, Germany was unable to help him due to bureaucracy  and sometimes incomprehensible attitude on the ground. The family had to return to  Ukraine and then go to Denmark. There he got the medical treatment and prosthetics. Nad  there are still many people who need prosthetics urgently but can not get it.  Another trauma for many disabled refugees is institutionalisation in German nursing care  homes. The politic of integration is often violent and ableist.
The war changed my life. In the first months of russian invasion, I had to be on the phone  all day and look for the necessary contacts in different cities. I called strangers and asked  them to help me in order to take out those who could not leave on their own. Each call was  stressful for me as for autistic person: I was shaking, stuttering and very often forgot even  to say my name.
Often the border crossing was at night and people needed support. I was constantly  reading and listening to the news. The fire situation was changing very quickly. The few  green corridors that were opening were constantly being shelled. When I sent people  there, I wondered if they would be able to get there. I began to develop false presence  syndrome. I was afraid of planes and helicopters flying over my house. To restrain such  states I had to re-learn to draw as an art therapy.
And it helped me not to break down in difficult situations: when you can't evacuate a  person because of hostilities, or when a person dies on the eve of departure, when  volunteers, who help you, are killed or injured by russian missiles. Coordinating an  evacuation means being prepared to face challenges that you cannot prepare for.  We live in the time of humanitarian and ecological catastrophe. We live in a care crisis:  where disabled people flee to survive and get medical treatment, assistive aids, they need.  People become disabled, have traumatic stress disorder and mental health problems but  border and integration politic doesn’t become more accessible. Healing is not accessible.  Disabled people living in total institutions in Ukraine are completely left behind. They are  called psychoneurological internats. In some of them are living 200 people. They are  institutionalized. They are forgotten by all human rights organisations. We don’t know even  their names.
It is not impossible to stand aside. Russian war means genocide, ableism and lgbtiq hate.  As my colleagues from Sunflower Care say: only politics of accessibilities, disability justice  and radical mutual aid can help us to survive.
Thank you for your solidarity,
Zhanna Dryha

DEUTSCH
Redebeitrag von Zhanna Dryha (Sunflower Care) (deutsch)
Achtung in diesem Text geht es um: Ableismus ( Diskriminerung gegen Menschen mit Behinderung, Krieg, russischer Kolonialismus, Tod

Vor 2014 habe ich als Künstlerin in Odesa in der Ukraine gelebt und dort auch unterrichtet.  Ich habe damals gespürt, dass Krim bald von Russland erobert wird und ich hatte Angst  davor. Im Jahr 2016 haben mein Mann und ich die Ukraine verlassen, wir hatten nur zwei  Rucksäcke dabei. Seitdem beschäftige ich mich mit dem Thema erzwungene Migration  und Krieg.
Im Jahr 2022 ist Russland in die Ukraine einmarschiert. Da habe ich mich freiwillig  gemeldet und habe angefangen, Menschen bei der Flucht zu helfen. Zusammen mit  anderen habe ich Sunflower Care mitgegründet. Sunflower Care ist ein Team von  Menschen mit verschiedenen Hintergründen - manche von uns sind neurodivergent,  manche sind chronisch krank oder haben Behinderungen, andere nicht. Neurodivergent  sind zum Beispiel Menschen mit ADHS oder Autismus.
Seit dem 24. Februar 2022 helfen wir Menschen mit Behinderungen, neurodivergenten  Personen, chronisch Kranken und Menschen, die während des russischen Krieges verletzt  wurden, und ihren Verbündeten bei der Flucht aus der Ukraine nach Deutschland.
Manchmal bringen wir sie auch in andere europäische Länder oder in andere Teile der  Ukraine. In Deutschland unterstützen wir sie, weil die gesamte Bürokratie nicht zugänglich  ist.
Warum machen wir das? Ich zitiere die Worte von Yuliia Sachuk, der Vorsitzenden der  Fight for Right - einer ukrainischen Organisation für Behindertenrechte: "Menschen mit  Behinderungen sind momentan die am meisten betroffene Gruppe durch den Krieg in der  Ukraine. Es gibt gefangene Menschen mit Behinderungen, es gibt sterbende Menschen  mit Behinderungen und wir wurden alleine zurückgelassen. Wir haben versucht, uns selbst  zu helfen, aber wir brauchen Hilfe. Behinderte Menschen müssen zuerst evakuiert werden.  Wer wird uns in unserer größten Not helfen? Wo ist das Geld, das ihr versprochen habt?  Bei wem ist es gelandet?"
Die großen Organisationen wie das Rote Kreuz waren bei ihrer Hilfe sehr wählerisch und  haben sogar dabei mitgemacht, dass behinderte Menschen aus der Ukraine nach  Russland verschleppt wurden. Der Krieg hat uns gezeigt, dass wir solchen Organisationen  nicht vertrauen können.
Meine Kolleg:innen und ich kämpfen gegen Ableismus. Ableismus ist ein schweres Wort.  Es heißt, dass Menschen denken: Behinderte und verrückte Menschen sind weniger wert  als andere.
Wir helfen behinderten und kranken Menschen bei der Flucht und sammeln Geld dafür.
Manchmal fragen uns Leute, wie lange eine Person noch leben wird. Das hört sich an, wie  die Frage,ob sich die Hilfe lohnt.
Am Anfang der russischen Invasion wollten die Rettungskräfte nur jungen Menschen mit  Behinderungen und Kriegsverletzten bei der Flucht helfen. Das ist auch Ableismus.
Wir erklären, dass jeder das Recht auf Flucht hat.
Anfangs war das Hauptproblem, Menschen im Rollstuhl oder Menschen, die im Liegen  transportiert werden mussten, bei der Flucht zu helfen.
Viele Städte in der Ukraine sind nicht barrierefrei. Viele Menschen leben in  unzugänglichen Wohnungen. Einige haben keinen Rollstuhl oder Rollator.
Das zweite Problem war, dass alle Krankenwagen in den Kriegsgebieten oder in  Krankenhäusern gebraucht wurden und ausländische Krankenwagen Angst hatten, in die  Ukraine zu fahren.
Es gibt immer noch zu wenige Krankenwagen. Wir konnten nur an der Grenze der Ukraine  einen Wagen mit einer Liege finden. Das war schwierig.
Wir mussten die Fahrten für die Flucht selbst organisieren: Wir mussten einen Rollstuhl  kaufen. Wir mussten einen Fahrer finden, der bereit war, eine liegende Person auf dem  Rücksitz mitzunehmen, und der bereit war, sie zum Zug oder Bus zu bringen.
Jede Flucht erfordert viel Aufwand, Menschen und Geld.
Die Flucht mit einem Rettungswagen kostet mindestens 5000 Euro. Die Flucht mit einem  rollstuhlgerechten Wagen kostet mindestens 1000 Euro. Es hängt von der Entfernung ab.
Besonders schwierig war es, Menschen bei der Flucht zu helfen, bei denen es wichtig war,  schnell zu sein, um ihr Leben zu retten. Manchmal kamen Krankenwagen zu spät und die  Person starb. Es war schwierig, eine direkte Fahrt im Krankenwagen von der Ukraine nach  Deutschland zu organisieren.
Bei autistischen Personen ist die Flucht schwierig, weil sie öffentliche Verkehrsmittel oft  nicht benutzen können und es unglaublich schwierig ist, in Deutschland die Bedingungen  zu schaffen, die die Personen nach ihrer Ankunft brauchen.
Bis Ende Juni 2022 konnten wir verhindern, dass Menschen in Lagern für die Geflüchteten  untergebracht wurden. Airbnb half uns mit vorübergehenden Wohnungen für autistische  und behinderte Geflüchtete. Es gab auch Personen mit Autoimmunerkrankungen.
Leider hat sich die Situation seit Juli 2022 verschlechtert und fast alle Geflüchteten werden  jetzt in Lagern für die Geflüchteten untergebracht. Das ist ein Problem für behinderte,  chronisch kranke und neurodivergente Personen.
Die Menschen bekommen viele Infektionen in den Lagern. Corona ist noch nicht vorbei.  Es gibt keinen privaten Raum, nicht einmal Türen. Das Licht ist immer an und es ist immer  laut. Die meisten Lager bieten nicht einmal das Nötigste für behinderte Personen.
In einem Lager in Giessen wurde ein Mann mit Beinamputation in einem Raum  untergebracht, in den kein Rollstuhl passte. Er musste auf einem Stuhl sitzen, und seine  Frau musste ihn mit dem Stuhl schieben oder ziehen. Nach der schrecklichen Flucht aus  der Ukraine wurde dieser Mann erneut In Deutschland traumatisiert. Traumatisiert  heißt: Eine Person fühlt sich sehr schlecht. Zum Beispiel, weil diese Person  die Erinnerungen an den Krieg oder an die schlechte Behandlung in dem  Geflüchtetenheim hat. Oder große Angst.
Er wurde während der Flucht durch eine Explosion im Bergwerk am Bein verletzt. Zwei  Tage mussten seine Frau und er die Nächte im Freien verbringen, da sie an vielen  Kontrollpunkte vorbei mussten.
Deutschland hat ihnen nicht geholfen, weil es zu viel Bürokratie und zu wenig Verständnis  gab. Die Familie musste in die Ukraine zurückkehren und dann nach Dänemark gehen, wo  er medizinische Behandlung und eine Prothese bekam.
Es gibt immer noch viele Menschen, die dringend eine Prothese brauchen, aber keine  bekommen. Viele behinderte Geflüchtete werden in deutschen Pflegeheimen  untergebracht. Die Maßnahmen zur Integration sind oft brutal und ableistisch.
Der Krieg hat mein Leben verändert. Ich musste den ganzen Tag telefonieren und nach  Kontakten suchen. Jeder Anruf war stressig für mich als autistische Person. Ich zitterte,  stotterte und vergaß oft meinen Namen zu sagen.
Oft war der Grenzübertritt nachts und die Menschen brauchten Unterstützung. Ich las  ständig Nachrichten. Die Situation änderte sich schnell.
Die wenigen scheinbar sicheren Fluchtwege wurden ständig beschossen. Ich fragte mich,  ob die Menschen es schaffen würden, dorthin zu kommen, wenn ich sie schicke.
Ich hatte das Gefühl, dass ich an Orten war, an denen ich in Wirklichkeit gar nicht war. Ich  hatte Angst vor Flugzeugen und Hubschraubern, die über mein Haus flogen.
Um damit klarzukommen, lernte ich das Zeichnen als Kunsttherapie. Das half mir, nicht  zusammenzubrechen, wenn wir jemandem nicht bei der Flucht helfen konnten oder wenn  jemand kurz vor der Abreise starb oder wenn freiwillige Helfer*innen durch russische  Raketen getötet wurden.
Wenn man eine Flucht organisiert, muss man auf alles vorbereitet sein, auch auf Dinge,  auf die man sich eigentlich nicht vorbereiten kann.
Wir leben in einer Zeit der Katastrophen. Behinderte Menschen fliehen, um zu überleben  und die Hilfe zu bekommen, die sie brauchen.
Menschen haben Behinderungen, posttraumatische Belastungsstörungen und psychische  Gesundheitsprobleme.
Aber die Grenz- und Integrationspolitik ist für sie nicht barrierefrei. Behandlungen sind  nicht zugänglich. Behinderte Menschen, die in Institutionen in der Ukraine leben,  werden von allen Menschenrechtsorganisationen in der Ukraine vergessen. In manchen  Einrichtungen leben 200 Personen. Wir wissen noch nicht einmal ihre Namen.
Es ist unmöglich, sich fernzuhalten. Der russische Krieg bedeutet Völkermord, Ableismus  und Hass gegenüber queeren und trans Menschen. Wie meine Kolleg:innen von Sunflower Care sagen: Nur eine Politik der Zugänglichkeit, der Behindertengerechtigkeit und radikale gegenseitige Hilfe können uns helfen zu überleben.
Danke für Eure Solidarität,
Zhanna Dryha

9.)  Eugenija  - Redebeitrag

Ich heiße Eugenija. Ich bin 44 Jahre jung. Ich bin geboren in Russland, im Süden Sibiriens. Als ich 14 Jahre war ist meine Familie nach Deutschland gezogen. In dem Dorf in Russland, wo wir gewohnt haben, gab es keine Schule für behinderte Menschen. Ich war 14 Jahre als ich auf eine erste Schule für Körperbehinderte in Sindelfingen kam. Ich war dort 6 Jahre lang, dann kam ich in eine Werkstatt für Behinderte nach Leonberg. Dort habe ich gearbeitet 10 Jahre lang dann es war mir nach Kündigen weil ich hatte genug von Werkstatt. Dann war ich ein paar Jahre Zuhause bis meine Tante gestorben ist. Ich habe zu der Zeit mit meiner Tante und Großmutter gelebt. Danach habe ich ein paar Jahre mit meinen Eltern zusammen gewohnt. Im Jahr 2017 zog ich nach Berlin, wo ich zum ersten Mal ich selbst sein konnte. Dann begann meine Verwandlung Mann zu Frau weil ich Trans bin. In Berlin ich konnte das einfacher machen, als in Leonberg. Das ist Baden-Württemberg wo meine Eltern leben. Meine Familie ist gegen meine Verwandlung. Das ist schwierig für mich, aber in Berlin ich konnte das ohne Druck von meiner Familie machen.Und jetzt lebe ich schon 4 Jahre als Frau.
Als ich nach Berlin gekommen bin, habe ich zuerst in Schöneweide mit Assistenz gewohnt. Ich musste viel lernen, auch allein zu wohnen und mit Assistenz umzugehen. Die erste Jahre waren schwierig und manchmal hart.
Ich bin seit ein paar Jahren im Orgateam mit dabei. Wenn ihr mehr erfahren wollt über die Parade sprecht uns bitte an.
Jetzt wohne ich im Friedrichshain in meiner Traumwohnung. Ich möchte mit meinem Vortrag Mut machen! Ihr könnt auch Erreichen was ihr wollt! Bitte geht euren Weg weiter und kämpft. Es lohnt sich! Für euer Leben und eure Rechte. Ich will euch damit ermutigen. Danke fürs Zuhören

10.) Beitrag von Noa Winter

Text 1:
Den Moment einatmen
Wir laufen schweigend nebeneinander.
Harmonie in Disharmonie.
Aus dem Augenwinkel beobachte ich dich.
Bemerke, wie sich dein kraftvoller, regelmäßiger Schritt an meinen behinderten Rhythmus
angepasst hat.
Ohne etwas zu sagen, ohne etwas zu fragen.
Ich lächle.
Das ist es.
Der kleinste Moment von Access-Intimität1.
Wir stehen uns nicht nahe, lernen uns erst kennen.
In meinem Kopf oft viele Zweifel.
Zweifel daran, wie vertraut Verbindungen zwischen Nichtbehinderten und Crips werden
können.
Aber nicht in diesem Moment.
In diesem Moment fühlt es sich einfach gut an.
Ich atme ein.


Du setzt dich neben mich ins Gras.
Genau im richtigen Abstand.
So, dass es sich nah anfühlt.
Und doch mit genug Abstand, dass ich nicht erstarre.
Einfriere. Verkrampfe.
Dass ich nicht jede der vielen kleinen und großen Bewegungen, die mein Körper macht,
überdenken muss.
1 Der Begriff Access-Intimität stammt von Mia Mingus. Er beschreibt ein Gefühl von Nähe und
Vertrautheit in zwischenmenschlichen Situationen, in denen Access, Barrierefreiheit und Zugang eine
Rolle spielen, z.B. in Freund*innenschaften, Beziehungen oder flüchtigen Bekanntschaften. Zum Text
von Mingus: https://leavingevidence.wordpress.com/2011/05/05/access-intimacy-the-missing-link/
Sie unterdrücken möchte, weil sie dir zu nahekommen, zu nahetreten könnten.
Genau im richtigen Abstand, dass ich spüren kann, wie mein Körper sich in deiner Gegenwart
entspannt.
Da ist es wieder:
das Gefühl von Access-Intimität.
Wenn ich neben dir, mit dir, so wie ich bin, existieren kann.
Wenn ich einfach im Moment sein kann.
Ich atme ein.


Einfach existieren, in einer Welt, wo behindertes und verrücktes Sein so oft Erklärungen
bedarf.
Wo wir oft nicht entscheiden dürfen, wann wir uns erklären wollen und wann nicht.
Wo der Druck, sich erklären zu müssen, nie aufzuhören scheint.
Und uns den Atem nimmt.


Atemlos träume ich.
Ich träume von Räumen und Zeiten für unser Behindert- und Verrückt-Sein.
Wo wir uns nicht erklären, nicht fragen, nicht bitten müssen.
Räume und Zeiten, in denen unsere Erfahrungen von Access-Intimität sich vernetzen, uns
tragen.
In denen wir gemeinsam aufatmen.
Und den Moment einatmen.


Ein Mosaik von Momenten.
Atemzug für Atemzug.
Eine lange Umarmung, die mich in Raum und Zeit orientiert.
Ich atme ein.
Ein Wort, eine Gebärde, eine Geste im richtigen Moment.
Ich atme aus.
Memes als gleichwertige Form der Kommunikation.
Ich atme ein.
Das Teilen von Hilfsmitteln, Stimtoys, Medikamenten und Snacks.
Ich atme aus.
Zusammen auf dem Bett liegen, wenn ich – oder wir? – einen Schub habe.
Mit oder ohne Berührung.
Wir atmen gemeinsam.
Wenn du dich an mir orientierst.
Ich atme ein.
Eine E-Mail von dir mit Infos zur Barrierefreiheit für unser Treffen, liebevoll kuratiert, ohne die
Erwartung von Dankbarkeit.
Ich atme aus.
Wenn du mir assistierst, mein Gemüse schneidest, meine Schuhe bindest, mir das Wasser
anreichst.
Und ich – obwohl ich mich schäme – weiteratmen kann.
Wenn meine Scham und meine Verletzlichkeit existieren dürfen, ich sie nicht verstecken oder
bekämpfen muss.
Immer wieder: Dein Atem, der mein Nervensystem beruhigt.
Ich atme ein.
Und aus.


Oft sind es die kleinen Gesten.
Unsere Blicke, die sich über die Weiten des Raumes treffen.
Sich gegenseitig ohne Worte Unterstützung zusichern.
Oder deine Hand auf meinem Arm.
Ein weicher anti-ableistischer Schutzpanzer gegen die ständige Wiederholung von
Abwertung und Diskriminierung.
Manchmal braucht es nicht mehr als unsere Blicke oder eine Berührung, um auch diesen
Moment zu überleben.
Ich atme aus.


Auf meinem Handy eine Nachricht von dir:
„Mein Covid-Test ist negativ. Ich freu‘ mich auf dich. Bis gleich.“
Einfach so. Ohne, dass ich fragen musste.
Ich lächle.
Und atme aus.
Text 2:
Tage wie diese
An Tagen wie diesen kommen wir zusammen.
Auf den Straßen, auf den Plätzen, in den Netzen.
Zu zweit, zu dritt, zu viert, zu vielen.
Hauptsache gemeinsam.
An Tagen wie diesen machen wir Platz.
Platz für unsere Forderungen.
Für unsere Wut, unsere Trauer, unsere Ängste.
Platz für unser Sein in dieser Welt.
Für unsere Freude, unsere Kämpfe, unser Lachen.
Behindert, verrückt und stolz.
An Tagen wie diesen tragen wir Menschen in unseren Herzen.
Menschen, die nicht hier sein können.
Die Barrieren erfahren, sich nicht sicher fühlen.
Menschen, die gestorben sind.
Zu früh, aus den falschen Gründen.
Tage wie diese sind nicht immer groß, laut und öffentlich.
Manchmal sind sie klein, leise und privat.
Sie sind überall dort, wo wir zusammenkommen.
Als Freundinnen, Komplizinnen und Liebhaberinnen,
als Kolleg
innen, Künstlerinnen und Mitstreiterinnen.
Behindert und Taub,
verrückt und neurodivergent,
chronisch krank und crip.
Mit – und nicht trotz – all der Schmerzen, der Erschöpfung,
der Depressionen und Dissoziationen,
der Symptome und Diagnosen.
Tage wie diese sind überall dort, wo wir sind.
Wo Behindertenkultur stattfindet.
Wo wir Community spüren können.
Wo wir uns nicht verstellen müssen.
Wo wir gemeinsam wachsen können.
Wo wir mit und füreinander träumen.
Behindert, verrückt und stolz –
heute, morgen,
und in der Zukunft, für die wir kämpfen,
nicht nur
an Tagen wie diesen.

11.) Pablonski Bader – Das traurige Lachen

"Lachen hat viele Gesicht

Kichern giggeln Lachen. eine geste die zeigt: mir geht es gut, ich bin zufrieden.

ja meistens  ist das so, aber ich lache:

ich lache vor Angst nicht zu genügen alles falsch zu machen
ich lache vor Schmerz, um ihn zu lindern
ich lache vor Verzweiflung von zu vielen aufgaben erschlagen

wenn das Gedankenkarussell wieder zu viel fahrt aufnimmt...
dann lache ich Mich vom künstlichen kichern über ein annäherndes herzliches Lachen, Lache ich mich in rage
das wirkt wie auslachen, aber das ist es nicht, so lache ich die dreckigen gefühle raus und mache mir Platz in meiner Seele zum Gedanken denken
wenn ich mal mit schlechter Laune aufwache, dann mach ich ein bisschen ginse-Yoga und schon fängt der Tag anders an.

Ich lächel um dir zu sagen: „Bleib mir vom leib, ich will nichts von dir!“
Anders wo lächele ich um dir zu sagen: „Komme her und flirte mit mir!“

Also Vorsicht lachen ist nicht gleich lachen"

12.) Kevienella

erster Song: Abendlicht Lyrics

Intro:
da-Da-da…
Verse 1
Es gibt nichts schöneres, abends liegt der Zauber in der Luft
Alles scheint so weich, die Sonne taucht die Welt in goldenes Licht.
Ich atme ganz tief ein und lasse meine Seele treiben
Denn das, worauf es ankommt, findest du nicht digital (denn Leben ist real)

Refrain:
Komm  lass uns rausgehen, ich reich dir meine Hand
Ich will die Welt sehen! Warum hab ich’s getan?
Hab mich viel zu lang versteckt
Diese Welt hat mich verschreckt
Alles scheint so weich
Da-dada…
Im goldenen Abendlicht
Da-da-Da…
Verse 2:
Ich bleibe stehen und lausche der Ruhe um mich herum.
Mach die Augen zu, und lass mich einfach fallen in den Moment
Ich atme ganz tief ein und lasse meine Seele treiben
Denn das, was uns wirklich leben lässt, ist direkt vor unsrer Tür

Refrain:
Komm lass uns rausgehen, ich reich dir meine Hand.
Ich will die Welt sehen, warum hab ich’s getan?
Hab mich eingesperrt so lan,
Diese Welt hat mich verbannt.
Alles scheint so weich
Da-dada…
Im goldenen Abendlicht
Da-da-Da…

zweiter song:
Kenvienella - Nicht genug
Verse 1:
Immer das gleiche hör ich von dir.
Dir geht es doch so schlecht und alle anderen sind dumm.
Keiner hat Ahnung, von allem, was er tut,
Die Welt ist doch so böse, selbst das Essen ist verflucht.
Ja, aha, komm doch bitte mit dir klar, denn das, was du da treibst ist nicht gesund
Ja, aha, ich soll nicht so werden wie du. Dafür ist es zu spät, denn ich achte auf mich selbst.

Refrain:
Nimm dir Zeit für dich und kümmer dich um dich selbst.
Immer die gleiche Leier, keiner ist dankbar  für die Hilfe, die du gibst.
Warum sollten sie’s auch sein, denn sie wurden nicht gefragt!
Nein sie tragen keine Schuld, du bist dir selbst einfach nicht genug

Verse 2:
Geht nicht, kann nicht, mir geht es so beschissen
Ja dass kann ich nicht mehr hören!
Du weißt genau, dass du was ändern kannst
Doch dir gefällt es so.
Du armer, kleiner Engel! (Oh Gutschi-Gutschi-Gutschi-Gu),
Du opferst dich so auf.
Pech ist nur, keiner hat dich gefragt
Nimm deine Nase aus ihren Sachen raus.
Nein, Gott Nein! Diese Liebe, die du suchst,
Kann dir keiner geben, wenn du ihn dazu zwingst! (Vor allem nicht ich)
Du, nur du, hast dein Leben in der Hand.
Nein die Anderen sind nicht schuld,
Sie scheren sich nur nicht um dein Kram

Refrain:
Nimm dir Zeit für dich und kümmer dich um dich selbst.
Immer die gleiche Leier, keiner ist dankbar  für die Hilfe, die du gibst.
Warum sollten sie’s auch sein, denn sie wurden nicht gefragt!
Nein sie tragen keine Schuld, du bist dir selbst einfach nicht genug

dritter song:
Kevienella - Beklemmungen

LyricsYeah, yeah  yeah, hu-uh-uh
Intro: y
eah yeah yeah, hu-uh-uh

Verse 1:
Ich hab voll die Beklemmungen. Jeder Ton, jeder Schritt…
Ich hab voll die Beklemmungen, alle starren mich an, zumindest hab ich das Gefühl.
Ich weiß, es ist Schwachsinn, denn keiner schert sich um mich.
Ich weiß, ich brauch keine Scham, denn ich bin so gut, wie ich bin

Refrain:
eah yeah yeah, hu-uh-uh

Verse 2:
Ich hab voll die Beklemmungen, ich muss hier raus, ich bekomm hier keine Luft
Ich hab voll die Beklemmungen, hab mich einschüchtern lassen, ohne ersichtlichen Grund.
Ich weiß, wer ich sein will, zumindest weiß ich, wer ich mal war.
Und ja, manchmal spür ich mein stärkeres ich, dann weiß ich, ich bin noch da.

Refrain:
eah yeah yeah, hu-uh-uh
eah yeah yeah, hu-uh-uh
Ich bin noch da.

vierter Song:
Kevienella - Kartoffelsalat
 
Refrain:
Kartoffelsalat ist gut, Kartoffelsalat ist lecker
Wer braucht heutzutage noch Schokolade? Kartoffelsalat hält Leib und Seele grade
 
Verse 1:
Ich hab kein Bock, ich habe schlechte Laune, ich koch mir ein Paar Kartoffeln.
Ich schäl sie erst danach, dann bleiben sie aromatisch, dann kommen sie in eine Schüssel
Dann mache ich sie klein, dann kommt noch Gurke rein, ich nehme hier die eingelegten.
Dann noch’n Ei dazu und noch’ne feine Wurst, Paar Erbsen dürfen auch nicht fehlen.
Paar Zwiebelchen und Mayo, dann ist das Werk vollbracht.
Dann alles in den Kühlschrank, damit’s durchzieht Übernacht.
 
Refrain:
Kartoffelsalat ist gut, Kartoffelsalat ist lecker
Wer braucht heutzutage noch Schokolade? Kartoffelsalat hält Leib und Seele grade

 
Verse 2:
Knoblauch, Thymian, Majoran und Schnittlauch, alles könnt ihr hier verwenden.
Das, was für euch passt, ob Käse oder Hering, am Ende gibt es keine Grenzen.
Für die Süße nehm ich gerne Paprika, ihr könnt aber auch Apfel nehmen.
Wer keine Mayo mag, nimmt gerne Essig Öl, frische Gurke schmeckt perfekt dazu.
Ich kann euch gar nicht sagen, wieviele Arten es so gibt,
Doch eins ist klar, dass jeder Mensch, Kartoffelsalat liebt
 
Refrain:
Kartoffelsalat ist gut, Kartoffelsalat ist lecker
Wer braucht heutzutage noch Schokolade? Kartoffelsalat hält Leib und Seele grade

Instrumentales Zwischenspiel
Refrain:
 
Kartoffelsalat ist gut, Kartoffelsalat ist lecker
Wer braucht heutzutage noch Schokolade? Kartoffelsalat hält Leib und Seele grade

13.) Audiobeitrag von Eliah

Den Text dürfen wir leider nicht veröffentlichen.

14.) Glitzerkrücke

Jetzt ist es soweit!
Endlich kann die Glitzerkrücke wieder gekürt werden ! Wir sind gespannt, wer sich dieses Jahr die Glitzerkrücke verdient hat.

Diese begehrte Trophäe können nicht alle haben. Sie ist vorgesehen für Vereine, Unternehmen und dergleichen, die sich auf besonders negative Weise darin hervorgetan haben, Behinderte und Verrückte weiter auszugrenzen oder zu benachteiligen.

Ihr habt uns eure Vorschläge geschickt! Es war nicht leicht, denn sie alle hätten die Glitzerkrücke verdient!
Aber wir haben schweren Herzens eine Vorauswahl treffen müssen.

Wir stellen Euch jetzt drei Nominierungen vor. IHR wählt heute Abend eure Favoriten!
Ihr entscheidet! Umso lauter eure Buhrufe, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass eurer Favorit gewinnt!!

Als erstes wollen wir euch dieses Jahr ein Unternehmen vorstellen, das für uns alle ein altbekannter Favorit für die Glitzerkrücke ist. Die Deutsche Bahn AG. 

Wir haben zahlreiche Nominierungsvorschläge für sie bekommen. 

Von defekten Fahrstühlen, Treppenstufen im ICE oder dem gern genannten und absolut lösungsorientierten Satz der Bahnmitarbeiter: „Müssen Sie denn wirklich fahren?“. Uns ist dabei noch mehr schlimmes zu Ohren gekommen! 

Am Erfurter Hauptbahnhof wird über Monate hinweg ein Fahrstuhl „saniert“. In dieser Zeit hat die Deutsche Bahn zwar einen Treppenlift zu "Verfügung" gestellt, dafür muss aber erst umständlich irgendwo angerufen werden, damit er von einem Bahn-Mitarbeiter zur Treppe gebracht wird.
Klar, dass es dadurch zu unmöglichen langen Umsteigezeiten für Rollifahrerinnen kommt und Anschlusszüge verpasst werden!
Aber zusätzlich kam es schon zu mindesten 3 Unfällen, einen davon mit Todesfolge! Bei denen ältere Leute wegen dem gesperrten Fahrstuhls auf die Rolltreppe auswichen und dabei verletzt wurden.

Natürlich sind das „nur“ Unfälle- aber die hätten durch eine bessere Betreuung am Bahnsteig verhindert werden müssen! 

Für all diese kleinen und großen Unmenschlichkeiten nominieren wir die Deutsche Bahn AG!
Wir sind tief beeindruckt, sie hat sich ihre Nominierung für die Glitzerkrücke hart erarbeitet!

Als zweites möchten wir den Berliner Senat für Bildung zur Auswahl stellen!

Wir alle wissen: Bildung ist ein universelles Menschenrecht und ein Schlüssel zur Teilhabe an der Gesellschaft. 

Trotzdem werden an Berliner Regelschulen zunehmend behinderte Kinder verkürzt beschult oder gänzlich vom Unterricht ausgeschlossen, manchmal über Jahre hinweg! 
Die Zahl der betroffenen Kinder kann nicht genau benannt werden, denn die Berliner Schulverwaltung erhebt dazu keine Zahlen …warum nur nicht?!
Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 1000 Kinder verkürzt beschult werden und um die 100 Kindern wird der Unterricht total verweigert. 

Für diesen fiesen Weg, Kindern ihr Recht auf Bildung zu verweigern und Inklusion in der Schule beschränkt oder nicht umsetzten zu müssen, nominieren wir die Berliner Senatsverwaltung für Bildung! 



Als drittes steht nochmal das Land Berlin zur Wahl, diesmal mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“.  

Diese besondere Anerkennung gebührt Ihnen dafür, dass sie es seit über einem Jahr nicht geschafft haben, die Automatiktür eines Ihrer Wohngebäude zu reparieren. 

Ihnen scheint es egal zu sein, dass die Bewohner
innen des Hauses jeden Tag vor Türen stehen, die sich nicht für sie öffnen. 

Ein Wohnunternehmen, dass barrierefreie Wohnungen vermietet und dann ihre Mieterinnen ein Jahr vor kaputten Türen stehen lässt, hat sich die Glitzerkrücke verdient, für diese völlig unnötige Einschränkung der Lebensqualität und der Selbständigkeit ihrer rollifahrenden Mieterinnen!